Urlaub auf Mallorca trotz Corona, aber nicht vor der eigenen Haustür?
Die Reisemöglichkeiten über Ostern nach Mallorca sorgen in Deutschland für einen Riesenärger. Während die Menschen nicht mal Ferienhäuser im eigenen Bundesland mieten dürfen, wurde die Reisewarnung für die Mittelmeerinsel aufgehoben. Die Corona-Zahlen auf Mallorca steigen zwar seit einigen Tagen wieder, aber liegen noch gut unter dem Grenzwert von 50.
Tausende Deutsche nutzen die Gelegenheit und setzen sich in ausgebuchte Flieger nach Palma. Endlich mal wieder Tapetenwechsel. Für riskant halten sie das nicht. Bei den Einheimischen, die durch die Pandemie wirtschaftlich hart getroffen wurden, lösen die Touristen aus Deutschland vor allem Hoffnung auf Besserung aus.
Das sagen einige Einheimische und deutsche Urlauber, die ihren Namen nicht in der Presse lesen möchten:
– ZUM INFEKTIONSRISIKO: «Ich sehe keine Massen, von denen die deutschen Politiker sprechen», sagt ein Urlauber aus Thüringen und zeigt auf den fast menschenleeren Strand am Ballermann. «Wo soll ich mich hier denn anstecken? Ich habe deswegen kein schlechtes Gewissen. Die Gefahr in Deutschland ist wesentlich größer, wo meine Frau als Erzieherin arbeitet und jeden Tag Kontakt mit anderen Personen hat.» Vermiesen lassen will er sich den Urlaub nicht durch mögliche neue Auflagen bei der Rückkehr: «Ich verdränge es und genieße meinen Urlaub.» Außerdem herrscht auf Mallorca Maskenpflicht außerhalb der Wohnung oder des Hotelzimmers und es gilt eine nächtliche Ausgangssperre.
– ZUR ANGEKÜNDIGTEN TESTPFLICHT FÜR RÜCKKEHR: «Das ist ein Problem. Ich kann den Urlaub schlecht genießen, wenn ich nicht weiß, was auf mich zukommt. Ich werde bei meinem Reiseveranstalter nachfragen und mich informieren», sagt ein Mann aus NRW. Er hat sich mit seiner Frau zum Geburtstag die Mallorca-Reise spendiert. «Eigentlich suchen wir die Ruhe in den Buchten an der Ostküste. Doch wenn ich schon Geburtstag habe, dann kann ich auch am Ballermann feiern.» Wobei sich die Party auf einen Strandspaziergang und vielleicht ein Bier in der Sonne beschränkt.
– ZU REAKTIONEN IN DEUTSCHLAND: Seine Frau berichtet von Anfeindungen in Deutschland vor der Reise. «Wir wurden regelrecht angegiftet. Eine Freundin hat uns vorgeworfen, wie wir denn ausgerechnet jetzt Urlaub machen könnten. Wir sollten das Virus ja auf der Insel lassen. Dabei sehen die Inzidenzzahlen hier wesentlich besser aus. Ich fühle mich auf Mallorca wesentlich sicherer als in Deutschland.«
– ZU MÖGLICHEN AUFLAGEN BEI DER RÜCKKEHR: «Das ist Zukunftsmusik. Darüber machen wir uns keine Sorgen», sagt eine Familie aus Hamburg mit zwei erwachsenen Söhnen und stößt entspannt mit Bier in der Sonne an.
– ZUR BEDEUTUNG DES TOURISMUS FÜR DIE BETRIEBE AUF MALLORCA: «Die Leute verdienen wieder etwas Geld und können einen Teil davon bei mir ausgeben. Ich freue mich tierisch. Schon die vergangenen Tage hatte ich wieder mehr Kundschaft», schildert Barbara Schneider, eine seit 15 Jahren auf Mallorca lebende Deutsche, die eine Backstube in dem bei Deutschen beliebten Ort Santanyí betreibt. Aber es werde noch lange dauern, bis die Folgen von Corona überwunden sind. Schneider hat durch die Pandemie einen hohen Schuldenberg angehäuft. «Selbst mit einer normalen Saison wird sich dieser nicht in Luft auflösen», sagt sie. Dass nun bald alles wieder so wie früher wird, glaubt die Deutsche nicht. «Wir müssen den Ball flach halten. Denn wenn die Hauptsaison wegen steigender Fallzahlen ausfällt, können wir Mallorca komplett vergessen.»
– ZUR SCHLIESSUNG DER INNENRÄUME VON GASTSTÄTTEN: Der Vizepräsident des Verbandes kleiner und mittlerer Unternehmen im Gaststättengewerbe, Helmut Clemens, schimpft: «Das ist der Todesstoß für unsere Branche.» «Vorher gingen wir davon aus, dass 40 Prozent der Betriebe die Krise nicht überleben werden, vielleicht aber haben wir das Ganze unterschätzt», zitiert ihn die «Mallorca Zeitung». Die versprochenen Hilfen würden auch nicht ausgezahlt.
– ZUM ÄRGER, DASS DEUTSCHE KOMMEN DÜRFEN, SPANIER ABER NICHT: «Es kommt eher zu Ansteckungen, wenn wir Einheimischen uns mit unseren Familien treffen. Die Urlauber haben mit weniger Menschen Kontakt», sagt die regionale Gesundheitsministerin Patricia Gómez.
– ZU DEN FOLGEN DER PANDEMIE FÜR DIE BERÜHMTEN KNEIPEN MALLORCAS: Ron Büttner, Inhaber der Fußballkneipe 4711, rechnet nicht mit Partys am Ballermann wie früher. «Es heißt, der Megapark wird wegen fehlender Lizenzen wohl gar nicht öffnen. Der Bierkönig vielleicht in abgespeckter Version», sagt Büttner. «Die Pandemie hat meine Altersvorsorge verbraten. Das Schlimmste ist aber, dass ich nicht arbeiten darf. Ich sitze zu Hause und warte, dass es wieder losgeht.» Aber er will durchhalten. «Ich bin Vollblutkneipier. Das ist mein Leben. Ich wüsste sonst nicht, was ich machen soll.» Mitte April will er seine Kneipe wieder öffnen. «Die Stimmung an der Playa wird dieses Jahr anders sein. Das wird wie ein Rummel ohne Riesenrad und Achterbahn.»
– ZUR LAGE DER MENSCHEN IM INFORMELLEN SEKTOR: Babacar Diakhate war früher selbst Straßenhändler, heute betreut er die meist jungen Männer im Auftrag der Caritas. «Sechs von zehn Familien im Senegal sind auf die Gelder angewiesen, die ihre Verwandten als Straßenhändler in Europa einnehmen und in die Heimat schicken. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Leute jetzt dort leben», sagt er. «Wir haben in Palma eine Art Klein-Senegal. Die Solidarität ist groß. Die wenigen, die Arbeit haben, versorgen die anderen mit.» Und alle hoffen, dass es durch die deutschen Touristen langsam wieder bergauf geht.
Quelle: dpa
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