Lässt sich eine geplante Kreuzfahrt mit AIDA oder Tui Cruises aus Sorge vor Ansteckung nun einfach so stornieren?
Wie sehr die Corona-Pandemie die Welt des Reisens weiterhin im Griff hat, zeigt sich gerade an der Kreuzfahrt: Zwei Schiffe von Aida und Tui Cruises mussten rund um Neujahr Fahrten unterbrechen oder vorzeitig beenden. Was können nun Verbraucherinnen und Verbraucher tun, die eine Seereisen-Buchung für die nächste Zeit aus Sorge vor Corona am liebsten stornieren möchten?
Die Reedereien selbst verweisen auf ihre bestehenden Regelungen dazu. Bei Tui Cruises zum Beispiel gelten weiter für alle Gäste der «Mein Schiff»-Flotte die regulären Umbuchungs- und Stornoregeln, teilte Sprecherin Friederike Grönemeyer mit: Alle Gäste, die den «PRO-Preis» gebucht haben, könnten ihre Reise einmal kostenlos umbuchen. Das ist bei dieser höchsten von insgesamt drei Preiskategorien des Anbieters bis maximal 50 Tage vor dem jeweiligen Abreisetermin möglich.
Aida Cruises wies darauf hin, dass eine einmalige Umbuchung bis 40 Tage vor Reiseantritt kostenfrei möglich ist – aber nur für Reisen, die seit dem 9. Dezember 2021 neu gebucht wurden und bei denen das Schiff bis zum 31. März 2022 ablegt. Für Abfahrten nach dem 31. März gelten andere Regeln. Eine einmalige kostenfreie Umbuchung ist hier bis 60 Tage vor Reisebeginn möglich für Gäste, die den «Aida Premium Tarif» gebucht haben – oder aber dann, wenn Gäste in den letzten zwei Wochen vor ihrem Abfahrtstermin ein positives Testergebnis vorlegen.
Doch was machen Reisende, für die diese Regelungen der Anbieter nicht gelten, weil sie andere Tarife gebucht haben oder weil Fristen verstrichen sind? Hier hilft zunächst ein Blick auf die Rechtslage.
Unsicherer Ausblick: Nicht übereilt stornieren
Eine Kreuzfahrt ist in aller Regel eine Pauschalreise, weil mehrere Reiseleistungen zusammenkommen, etwa die Verpflegung, der Transport und vielleicht auch die Unterhaltung, sagt André Schulze-Wethmar als Rechtsexperte beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) in Kehl.
Grundsätzlich kann jeder Tourist vor Reiseantritt nur dann kostenlos von seinem Reisevertrag zurücktreten, wenn außergewöhnliche Umstände während der Reise am Urlaubsort oder bei der Beförderung dahin zu erwarten sind, sagt der Reiserechtler Paul Degott aus Hannover. Und ob dieses europaweit geltende kostenlose Sonderkündigungsrecht bei Kreuzfahrten greift, hängt vom Einzelfall ab, so Schulze-Wethmar.
Verbraucherinnen und Verbraucher sollten in der Regel nicht übereilt stornieren, um nicht auf den Stornokosten sitzen zu bleiben, rät Schulze-Wethmar. «Man kann dann zwar noch versuchen, das gerichtlich geltend zu machen, aber das ist recht schwierig», so der Jurist. Zugleich könnten Verbraucher die Anbieter um Kulanzlösungen bitten.
Die reine Spekulation, dass es zum Beispiel einen Corona-Ausbruch an Bord geben könnte, reicht in der Regel nicht aus für einen kostenlosen Rücktritt: «Wenn ich jetzt vor einer gebuchten Kreuzfahrt sitze und das dumpfe Bauchgefühl habe „Das geht auch bei mir schief“, dann wird mir das leider nichts nicht helfen», sagt Degott.
Coronaausbrüche und Quarantäne
Das zeigten laut Degott auch Urteile aus den Corona-Jahren 2020 und 2021. Gerichte hätten dabei genau hingeschaut, ob ein kostenloser Rücktritt von einer Reise zu gewähren war oder nicht. Das sei nur dann der Fall gewesen, wenn handgreifliche Gründe dafür sprachen.
Doch was wären solche Gründe? Ein solcher läge vor, wenn Reisende in der Folgewoche auf ein Schiff gehen sollen, das noch unter Quarantäne liegt, nennt Degott ein fiktives Beispiel. Dann könnte es sein, dass sich ein Risiko so verdichtet hat, dass Reisenden die Kreuzfahrt nicht zuzumuten sei. «Das kommt aber immer auf den Einzelfall an.»
Wenn aber konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass dort, wo die Kreuzfahrt stattfindet, außergewöhnlichen Umstände vorliegen, wäre das ein wichtiger Anhaltspunkt für eine mögliche kostenlose Stornierung. Schulze-Wethmar nennt beispielhaft dafür einen plötzlichen unerwarteten Corona-Ausbruch der Omikron-Variante am Ausgangsort der Reise oder vielleicht auf dem gleichen Schiff. Bei der Argumentation helfen könnten Reisenden unter Umständen auch Hinweise des Auswärtigen Amtes, das derzeit von Kreuzfahrten abrät.
Der Reiseveranstalter oder die Reederei könnte jedoch einwenden: «Wir bringen Sie ja direkt mit dem Bus zum Schiff.» Man dürfe auch nicht vergessen, dass es die Corona-Pandemie schon längere Zeit gibt, sagt Verbraucherschützer Schulze-Wethmar. Schon jetzt argumentierten viele Veranstalter damit, dass das Corona-Risiko gar kein außergewöhnlicher Umstand mehr ist, zumindest wenn man während der Pandemie gebucht hat. «Und im Zweifel streitet man sich dann wirklich vor Gericht.»
Gute Karten: Der Reiseveranstalter sagt die Kreuzfahrt ab
Am besten sei es für den Verbraucher, wenn der Veranstalter von sich aus storniert – «dann bekommt man das Geld ganz sicher zurück», sagt Schulze-Wethmar. Sagt der Anbieter nicht ab und hat man nicht selbst frühzeitig storniert, sollte man so lange wie möglich warten und die Lage im Auge behalten. «Das ist natürlich für den Verbraucher ein heißes Eisen, wenn er länger abwartet.» Denn liegen aus Sicht des Anbieters keine außergewöhnlichen Umstände vor und führt er die Tour durch, bleiben Reiseunwillige meist auf hohen Stornokosten sitzen.
Besorgte Reisende sollten sich direkt mit dem Anbieter in Verbindung setzen und gezielt nach den Maßnahmen zum Infektionsschutz an Bord fragen, rät Degott. Vielleicht ließen sich so die Sorgen minimieren.
Schon vor Vertragsabschluss vorsorgen
Um Probleme zu vermeiden, sollte man sich nach Empfehlung der Experten schon bei der Buchung für ein Angebot entscheiden, bei dem der Anbieter von sich aus ein kostenloses Stornorecht einräumt. Es gebe Reiseveranstalter, die gegen Aufpreis ein zusätzliches vertragliches kostenloses Rücktrittsrecht einräumen. Oder man schließt eine entsprechende Versicherung ab. Hier sollte man aber die Konditionen prüfen. Bei Beschwerden gegen Reiseanbieter im EU-Ausland bietet das EVZ kostenlos eine außergerichtliche Unterstützung an.
Wer die Reise dann antritt, hat auch Anspruch auf die komplette Durchführung. Gelingt dem Anbieter dies nicht, können Kunden den Reisepreis zurückverlangen – zumindest für jene Tage der Reise, die Urlauber am Ende nicht hatten. Zudem können Minderungsansprüche für die Tage davor gelten, sagt Degott – etwa, wenn Maßnahmen an Bord das Programm abspeckten oder man sogar in der Kabine bleiben musste. «Dabei kommt es auf ein Verschulden des Anbieters nicht an.»
Quelle: dpa
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