Bietet das neue Gesetz zur Absicherung einer Pauschalreise künftig tatsächlich finanzielle Sicherheit? Ja, sagt ein Experte. Die Probleme sieht er woanders.
Bei der Pleite eines Reiseveranstalters sollen künftig weder die Kunden in die Röhre schauen noch der Steuerzahler einspringen. Pauschalreisen werden mit einem neuen Fonds abgesichert, in den die Veranstalter selbst einzahlen. Dieser löst die bisherige Absicherung durch Versicherungen oder Bankbürgschaften ab.
Eine staatliche Garantie soll sicherstellen, dass stornierte Reisen auch dann erstattet werden können, wenn in dem Fonds nicht genügend Geld vorhanden ist. Der Reiserechtsexperte Prof. Ernst Führich schlüsselt die Hintergründe auf – und gibt eine Einschätzung, ob Pauschalreisende nun wirklich abgesichert sind.
Frage: Warum wurde ein neuer Reisesicherungsfonds aufgesetzt?
Ernst Führich: Die EU-Pauschalreiserichtlinie verpflichtet Reiseveranstalter, für den Fall ihrer Insolvenz die von den Reisenden erhaltenen Vorauszahlungen und den vertraglich zugesagten Rücktransport der Reisenden abzusichern.
Gerade die Insolvenz des zweitgrößten deutschen Reiseveranstalters für Pauschalreisen Thomas Cook im September 2019 hat gezeigt, dass die aktuelle jährliche Haftungshöchstgrenze von 110 Millionen Euro pro Versicherer nicht ausreicht. Deshalb musste der Steuerzahler einspringen und den nicht vom Absicherer Zürich an Cook-Urlauber erstatteten Betrag von fast 40 Millionen Euro übernehmen.
Zudem droht das bisherige System infolge der Cook-Pleite und der Corona-Pandemie zu zerfallen. Mit den bisherigen Absicherern Generali, Swiss Re und HDI haben sich drei von sechs Absicherern wegen des fehlenden Profits und des hohen Risikos aus diesem Markt verabschiedet. Derzeit sind nur noch R+V, Zürich und Tourvers als Absicherer tätig.
Frage: Schützt mich dieser neue Fonds als Pauschalurlauber nun wirklich ganz sicher vor einer Pleite?
Führich: Der neue Pauschalreiseschutz durch das Reisesicherungsfondsgesetz orientiert sich am niederländischen Modell: Ab 1. November 2021 sind bei einer Insolvenz des Veranstalters alle Zahlungen auf den Reisepreis, die Unterkunft und die Rückreise abgesichert. Der mögliche Maximalverlust im Insolvenzfall wird mit 22 Prozent des Umsatzes angenommen, den ein abgesicherter Reiseveranstalter erzielt. Einziger Absicherer für alle Veranstalter ab 3 Millionen Euro Jahresumsatz ist der neue Reisesicherungsfonds.
Unter dieser Umsatzgrenze können sich mittelständische Reiseveranstalter wie bisher über Versicherungen, Banken oder über den Fonds gegen ihre Insolvenz absichern. Der Fonds soll bis 2027 eine Leistungsfähigkeit von 750 Millionen Euro haben.
Der Staat will den Reisesicherungsfonds während der Aufbauphase durch eine Bürgschaft oder Garantie für einen Kredit absichern, den der Reisesicherungsfonds im Schadensfall aufnehmen muss. Die staatliche Absicherung gilt bis 31. Oktober 2027 und deckt die Differenz zwischen dem vorhandenen Fondsvermögen zuzüglich der Sicherheiten und dem Zielkapital ab. Damit ist der Pauschalurlauber meiner Meinung nach sicher bei einer Pleite geschützt.
Frage: Wo sehen Sie noch Schwachstellen in der neuen Konstruktion?
Führich: Die größte Schwachstelle ist die zusätzliche Belastung für die Reiseveranstalter, da die Kassen durch die Corona-Krise leer sind. Tui und andere große Veranstalter müssen sieben Jahre mindestens ein Prozent des Nettojahresumsatzes in den Fonds einzahlen. Die ersten Jahre der Aufbauphase sind daher mehr als kritisch. Die hohen Kosten für den Fonds werden zwangsläufig auf die Reisepreise umgelegt werden. Damit droht die Gefahr, dass Pauschalreisen als Paket mit mindestens zwei Reiseleistungen wie Flug und Unterkunft im Vergleich zu Reiseeinzelleistungen zu teuer werden.
Aus Verbrauchersicht ist es immer noch skandalös, dass weder Berlin noch Brüssel eine Absicherung der im Voraus zu leistenden Flugpreiszahlungen schaffen, obwohl durch Corona künftige Pleiten von Airlines drohen. Zudem sind reine Hotelunterkünfte und Ferienwohnungen keine Pauschalreisen und damit nicht abgesichert.
Zur Person: Prof. Dr. Ernst Führich ist einer der führenden Reiserechtswissenschaftler in Deutschland. Er ist Autor des Standardwerks «Reiserecht» und der Kemptner Reisemängeltabelle und war in Reiserechtsfragen als Sachverständiger im Deutschen Bundestag tätig.
Quelle:dpa
Bildquelle: Frank Rumpenhorst/dpa/dpa-tmn